JUNI 2024
Im Moment geht die Aussage von Spotify Gründer Daniel Ek rum, der Folgendes sagte: "Today, with the cost of creating content being close to zero, people can share an incredible amount of content. In jedem Falle hat es zu Recht einen Aufschrei ausgelöst bei dem MusikerInnen klar sagen „Ich mache Musik und keinen Content“. Und zero cost ist totaler Quark, wenn man mit echten Menschen arbeitet. MitmusikerInnen, Studio und Mastering, Fotos und Videos, Promo u. v. m. Ah ja, essen und wohnen wäre da auch noch. Das, was die Industrie gern will, ist möglichst ohne Kosten hergestellter ‚content‘ für die Masse. Das ist nichts Neues. Und macht sich auch in anderen Bereichen wie Film und Wort breit.
Ich fang von vorn an. 1982 kam die CD. Bereits in den 80ern tüftelte das Fraunhofer Institut bereits am MP3 Format. 1991 war die Entwicklung abgeschlossen. Die Major Labels winkten ab, als man es ihnen vorstellte und feilten lustig und sinnlos weiter am Kopierschutz für CDs. Und so entstand Ende der 90er Napster. Und erst da wachte die Musikindustrie auf. Die Entwicklung war verpennt. Es war Apple, die 2004 mit bezahlten Downloads und einem eigenen Format in den Markt einstiegen.
https://www.wissen.de/mp3-eine-erfindung-veraendert-die-musikbranche
2006 gründeten dann zwei sehr reiche Dudes Daniel Ek & Martin Lorentzon Spotify. Geschäftsidee: Musik für umme! Yay! Nicht. Es sollte eine „legale Alternative zur Piraterie“ werden. Mit einem entscheidenden Haken, dem die Major Labels zugestimmt haben: Du musst eben kein Abo haben.
2008 ging es los, nachdem die Lizenzverträge mit den großen Musiklabels geschlossen wurden. Einige waren zu Beginn auch Anteilseigner. Diesen Vertrag hat offenbar noch nie jemand gesehen. Liest man das Buch Spotify Teardown (2019) dann ging es vor allem auch um die Sammlung von Nutzerdaten, die aufgezeichnet werden und natürlich auch an DSGVO-fremde Drittanbieter übertragen werden. Nutzt man die App in Verbindung mit Facebook ist es noch umfassender. „Spotify was originally praised as an innovative digital platform but increasingly resembles a media company in need of regulation, raising questions about the ways in which such cultural content as songs, books, and films are now typically made available online.” Heißt es im Klappentext dazu.
https://www.sueddeutsche.de/kultur/spotify-buch-forscher-nutzerdaten-1.4412193?utm_source=pocket-newtab
Und so ist es auch hier, wie bei allen großen Techies und Monopolen, wie auch Eventim und Live Nation, Amazon u. s. w. Regulierung wird immer schwierig, wenn die Marktmacht so fett ist.
Das Geschäftsmodell ohne Abo bescherte Spotify übrigens erst einmal lange rote Zahlen. Bis zum Schlussquartal 2023. Spotify setzte verschärft auch auf Podcasts und Hörspiele und es wurden 2023 satte 1500 Stellen abgebaut. Inzwischen gibt es bei 600 Mio Nutzern etwa 239 Mio Premium Abos. Sie verzeichneten nun im ersten Quartal 2024 einen Gewinn von 168 Mio. Übrigens 40 % eines Abos gehen an Musiklabels, 30 % an Spotiy und etwa 22 % an Musikschaffende nach der Goldmedia Studie, die die GEMA in Auftrag gegeben hat.
Das System der Vergütung für Musik nennt sich Pro Rata. Das bedeutet, dass die, die hohe Marktanteile haben, mehr bekommen als die mit niedrigen Streamingzahlen. Also alle Einnahmen inklusive Werbung kommen in einen Topf und werden dann recht intransparent ausgeschüttet. Wenn Du also nur Lux hörst, profitiere nicht ich direkt davon, sondern es wandert erst einmal alles in den großen Topf. Das andere System wäre User centric, also genaue Abrechnung. Das wird immer wieder diskutiert, setzt sich aber nicht durch, auch weil es einen enormen Aufwand bedeuten würde. Im Schnitt liegt die Vergütung eines Streams für Musikschaffende bei 0,3 Cent (1000 Streams 3,-)
https://www.manager-magazin.de/unternehmen/spotify-stellenabbau-und-preiserhoehungen-fuehren-zu-gewinnsteigerung-a-e92e158f-b37c-4a58-a7a9-0d18e6bd14cf
Es gibt etwa 100 Mio Songs auf Spotify. Etwa 200.000 Musikschaffende erwirtschaften 95 % aller Vergütungen und steuern 15 % aller hochgeladenen Titel bei. Nur mal so eine Zahl: Taylor Swift beispielsweise erreichte 200 Mio Streams innerhalb von 24 Std mit ihrem neuen Album.
Ich sehe auch, dass es wahrscheinlich eine ganze Menge Hobbymusiker gibt, die „Content“ kreiert, aber nicht von ihrer Musik leben. Das bringt die Technologie mit sich. Jeder kann. Und ja, es gibt auch für Vollmusikusse keine Gewähr für gar nichts. Wie auch für jeden anderen Soloselbstständigen. Man baut sich auf, ackert und tut und erspielt sich im besten Falle einen treuen Kreis. Und dann wird es ein kleines Unternehmertum. Und das hat den gleichen Wert wie jedes andere Business, wenn ich manchmal lese, dann mach halt was Gescheites. Ich mache etwas Gescheites. ;-) von 11 Mio KünstlerInnen, die auf Spotify Musik hochladen, haben 80 % weniger als 50 monatliche Hörer.
Das zum Hintergrund. Was also tun? Von den etwa 11 Mio Musikschaffenden gibt es also nur wenige, die wirklich ein Einkommen durch Streaming erzielen können. Dazu kommen eine Menge Fake Accounts, auf denen „Geistermusiker“ ständig eben diesen Content generieren, von dem Ek spricht und die durch Masse und Playlisten oft richtig verdienen. Das hat wenig mit dem zu tun, was MusikerInnen wirklich bräuchten. Denn mitnichten sind die Kosten quasi auf null, wenn man produziert. Es sei denn man generiert Musik am Computer und am Fließband und das auch noch mithilfe von KI. Das ist wahrlich billig. Und die Musikindustrie freut sich.
Und damit sind wir eben wieder bei Musikindustrie und Musikkultur. Ich mache da inzwischen wirklich zwei Felder auf. Was also könnten unabhängige Musikschaffende überhaupt tun? Die immer wieder aufkommende Frage einfach raus zu gehen, stellt sich. Und hier trifft man dann wieder auf das übliche Dilemma. Das sogenannte Laufpublikum lässt sich so schwerlich erreichen. Liest jemand meinen Namen und will wissen wie ich klinge, kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass die allermeisten Leut erst einmal bei Spotify checken, was ich für Musik mache. Im besten Fall haben sie mich entdeckt und kommen zum Konzert oder kaufen dann doch den Download oder die CD. Hätte mich der Algorithmus nicht vorgeschlagen, dann wären sie nicht auf mich gekommen.
Man googelt und geht zu Amazon. Ganz ähnliche Geschichte. Comfort zone rules. Nur die, die bereits ein anderes Bewusstsein haben, würden andere Wege wählen. Und dieses Bewusstsein müssen vor allem wir Musikusse wecken, denke ich. Und dann gibt es im besten Falle die Variante, dass auch kleine Zahlen bei guten Margen zur Möglichkeit führen, doch von seiner Musik leben zu können. Das klappt noch bei denen, die sich ganz treue Lauscherkreise erschlossen haben und die selbst AutorInnen sind und auch durch Verwertungsgesellschaften wie die GEMA Geld bekommen. Oft die Arbeit von vielen Jahren und guter Pflege z. B. mit einem monatlichen Newsletter. Klicks und Likes sind zwar schick und freuen das Ego, sind aber wenig bewegend, was Umsätze anbelangt. Sie bedeuten oft nur ein Windchen.
Was die physischen Tonträger anbelangt wird das weiterhin abnehmen, denke ich. Um Leute dazu zu bekommen, direkt auf meiner Seite einen Download zu kaufen, muss ich massiv damit werben, denn zufällig entdeckt das kaum keiner. Es gibt Portale wie HighResAudio, eine kleine, feine Company aus Berlin, die mit sehr hochwertigen (24-bit)Downloads am Markt ist und inzwischen einen sehr guten Katalog anbietet. Tidal vergütet Streaming besser und auch Qobuz, wie ich gerade sehen konnte. Immerhin 0,013 Euro pro Stream bei Qobuz statt 0,003 wie bei Spotify.
Schau ich in die Details meiner Abrechnung, dann ist immer noch Spotify vorne mit den Streamingzahlen. Wäre ich da nicht, hab ich so meine Zweifel, dass Leute, die Spotify mit Abo nutzen, dann woanders hingingen, um zu streamen. Denn wer wechselt und zahlt, will den ganzen Katalog. Was die CD betrifft, gibt es meine inzwischen nur noch bei JPC, in meinem eigenen Shop oder auf Konzerten. Das wiederum war ein sehr guter Schritt. Denn Retouren willste nicht. Das kostet. Und so suchen die, die immer noch CDs kaufen dann offenbar doch auch bei JPC, denn das strömt recht stabil. Streamer suchen da, wo sie ihr Abo haben, wenn sie denn eines haben, denke ich.
Politisch könnte man Mindestvergütung für Streaming einfordern. Die GEMA kämpft darum. Es hat Jahre gedauert bis da z. B. bei YouTube eine Einigung erzielt werden konnte für Musik. Urheberrechtsverbände kämpfen. PRO MUSIK hatte eine große Petition nach der 1000er Regel im Umlauf mit vielen Unterschriften. Durchkommen und was bewegen ist aber ganz schwierig.
In Frankreich wurde durch Verhandlungen mit Verwertern, Gewerkschaften und dem Kulturministerium 2022 eine neue Vereinbarung für Streaming und Vergütung festgelegt. Sehr interessant. Sie richtet sich aber vor allem an die Labels, die besser vergüten müssen, weniger an die Plattformen.
https://www.fim-musicians.org/de/french-streaming-agreement-2022/
Uruguay hatte versucht durch Gesetze bessere Vergütung zu erreichen. Spotify hat den Markt daraufhin dort schrittweise dicht gemacht.
https://groove.de/2023/11/23/spotify-streamingdienst-erpresst-suedamerikanisches-land/
Mein Fazit ist nach wie vor: Aufklären. Und die, die man dann erwischt kommen im besten Falle ins Nachdenken gehen ins Konzert oder kaufen einen Download oder gar eine CD. Bei jedem Konzert gibt es eine kleine Ansage von mir dazu. Und es zeigt sich, dass viele Streaming Nutzer keinen Schimmer von der Höhe der Vergütungen haben.
Macht es wirklich Sinn sich mit Giganten in den Sturm zu begeben oder macht es nicht doch mehr Sinn unabhängige Wege zu erschließen? Was nicht heißt, dass man alles hinnehmen muss, wie beispielsweise die willkürliche Aussetzung der Vergütung unter 1000 Streams pro Song im Jahr. Das ist urheberrechtlich absolut unlauter, wie ich finde.
Wie viel Macht die großen Labels haben zeigt sich, wenn ein kompletter Katalog wie der von Universal plötzlich von einer Plattform wie TikTok verschwindet, weil man sich nicht einigen konnte auf die Höhe der Lizenzen. Das hat empfindlich getroffen, weil der Katalog riesig ist. Und immer muss man die Unabhängigen, ohne Label im Rücken, gesondert betrachten.
„Die Musikindustrie in Deutschland hat mit den Verkäufen von CDs, Vinyl-LPs und Downloads sowie den Erlösen aus dem Streaminggeschäft im Jahr 2022 insgesamt 2,07 Milliarden Euro umgesetzt. Damit ist erstmals seit 20 Jahren wieder die 2-Milliarden-Euro-Marke übersprungen worden, das war zuletzt 2002 der Fall (2,21 Mrd. Euro). Gegenüber dem Vorjahr 2021 beträgt das Marktwachstum 6,1 Prozent. Anders als vor 20 Jahren stammt allerdings heute mit 80,3 Prozent der weit überwiegende Teil der Einnahmen aus Online-Verkäufen gegenüber 19,7 Prozent aus dem physischen Geschäft. Mit weitem Abstand stärkstes Marktsegment ist dabei das Audio-Streaming, das um deutliche 14,0 Prozent zulegte und inzwischen einen Anteil von 73,3 Prozent am gesamten Branchenumsatz hat.“
https://www.musikindustrie.de/presse/presseinformationen/bvmi-marktdaten-2022
Im Zuge meiner Recherchen ein weiteres Ding. So einige lobhudeln immer bandcamp als dufte Alternative zu Streamingdiensten. Dazu folgendes: Bandcamp ist KEIN Streamingportal. Man kann da quasi reinhören. Die Vergütung allerdings bei ausschließlich gehörter Musik dort ist null Euro. Ich weiß nicht, ob das Bandcamp Usern immer klar ist, wenn sie es als Portal zum Hören nutzen.
Bandcamp hat keinerlei Vereinbarung mit Verwertungsgesellschaften, auch da also keine Ausschüttung beim reinen Hören. Bandcamp wurde in den letzten Jahren zwei Mal verkauft. Erst an Epic Games, dann an Songtradr. Laut der Frankfurter Allgemeine wurden nur 50 % der MitarbeiterInnen übernommen, nicht darunter die Gewerkschafter und der Betriebsrat.
Wenn Du dann etwas kaufst oder lädst, dann gehen 15 % an Bandcamp davon und der Rest zum Künstler abzüglich meist der paypal Gebühr von 3 %. Das zur Info, was natürlich völlig OK ist. Und dafür tut es auch.
Der Artikel ist von Kristoffer Patrick Cornils
https://www.dj-lab.de/bandcamp-und-epic-games-ein-halbes.../
Also, wie vernetzen, mit wem arbeiten und was gemeinsam bewegen ist die Frage ohne die technische Entwicklung zu verteufeln, was ja wenig Sinn macht. Sie ist da.